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Die Spitze des Eisbergs

parasink150Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, geschieht leider noch immer zu wenig, um der immer weiter um sich greifenden Kriminalitätsform des Stalking Herr werden zu können. Weder Ermittlungsbehörden noch Justiz sind flächendeckend auch nur annähernd ausreichend gewappnet, der Flut der Fälle wirkungsvoll zu begegnen. Noch immer ist es für Betroffene mehr als schwierig, Hilfe zu erhalten, selbst wenn Täter namentlich bekannt sind. Polizei und Justiz verweisen meist gern auf den Privatklageweg, in dem die gesamte Ermittlungs- und Beweislast inklusive direkter und indirekter Kosten die Betroffenen zu tragen haben. Opfer mit geringem Einkommen haben so kaum eine echte Chance, eine Klage erfolgreich führen zu können und auch Prozesskostenhilfe für ein etwaiges Zivilverfahren löst das Problem kaum, denn wenn konkrete Abhilfe nicht im ersten Anlauf gelingt, müssen weitere Schritte selbst finanziert werden. Ein jahrelanger Prozess kann leicht vier- bis fünfstellige Summen kosten und bedeutet zum Stalking selbst eine weitere Einschränkung der eigenen Lebensqualität. Zur psychischen und langfristig oft gesundheitlicher Einschränkung kommt dann noch die finanzielle hinzu.

Es ist sehr wichtig, von Anfang an möglichst nicht falsch zu reagieren. So können Schnellschüsse und Alleingänge ohne vorherige fachliche Beratung in rechtlichen Fragen leider leicht nach hinten losgehen und statt schnelle Abhilfe zu erreichen, ist die eigene Munition unnütz verschossen, woraufhin die Täter künftig leichteres Spiel haben und möglicherweise sogar sicherer vor rechtlichen Gegenmassnahmen sind als vorher. Eine umfassende rechtliche Beratung sollte also am Anfang jeder Gegenwehr stehen!

Bei Stalking handelt es sich nicht um seltene Einzelfälle. Längst hat sich diese Kriminalitätsform zu einem Flächenbrand entwickelt und mit einer von mehreren unterschiedlichen Formen des Stalking hatte heute bereits rund jeder zehnte in Deutschland direkt oder indirekt zu tun. Im Internet und unter jüngeren Menschen (vor allem unter Schülern) ist dieser Anteil bereits sehr viel höher. So wurde bereits vor zwei Jahren bei einer Studie festgestellt, dass allein in NRW etwa jeder dritte Schüler von Stalking in irgendeiner Form betroffen war. In beiden Fällen kann noch von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgegangen werden, denn zu der heute bereits sechsstelligen jährlichen Anzahl der Fälle kommen sicher sehr viel mehr Vorkommnisse, die entweder nicht angezeigt, verdrängt oder nicht einmal direkt bemerkt werden.

Polizei und Justiz verschliessen angesichts massiv steigender Fälle leider nach wie vor die Augen und tun diese gern als Bagatellen ab. Auch der Gesetzgeber ignoriert diese besonders perfide und menschenverachtende Form der Kriminalität weitgehend. Polizei und Justiz sind nur völlig ungenügend ausgebildet und gerüstet, um dieser Form Straftaten Einhalt gebieten zu können und auch die Schaffung des Straftatbestandes der Nachstellung (§ 238 Strafgesetzbuch) bewirkt nichts, wenn weder ausreichend ermittelt noch angeklagt, geschweige denn bestraft wird. Betroffene sind in den meisten Fällen weiterhin ihren Stalkern und Mobbern ausgeliefert, bis diese die Lust daran verloren, ein neues Opfer gefunden oder ihr Ziel, die Zerstörung ihrer „Zielperson“ erreicht haben.

Stalking, Nachstellung, Mobbing, Cybermobbing, Rufmord – dies alles wächst und wuchert immer weiter und gehört heute mehr denn je auf die Tagesordnung. Der grassierende Verlust an Menschlichkeit in unserer Gesellschaft muss ein Ende haben und sollte endlich wieder umgekehrt werden. Nicht Opfer sollten ausgegrenzt werden, sondern Täter – und das ist eine gesellschaftliche Aufgabe für uns alle.

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